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Glück aus Spielerperspektive

In Fortführung des Artikels zum „Unterschied von Glück haben und glücklich sein“, gibt es auch eine gegensätzliche Sichtweise. Die des wahrgenommenen Glücks. Das Glück aus der Sichtweise eines Spielers.

Doch warum ist diese anders? Warum nehmen wir glückliche Momente anders wahr als ein Spielsüchtiger? Warum fällt es Spielsüchtigen schwer, glücklich im hier und jetzt zu sein?

Wir beschreiben nachfolgend die maßgeblichen Sucht-Faktoren für Spieler, wie diese wirken und wie dadurch eine Co-Abhängigkeit von Glückspiel und Spielsucht entstehen kann.

Einleitung

Glück ist ein komplexes Gebilde aus Wahrnehmung, Empfindung und der persönlichen Einstellung dieses entsprechen zulassen zu können. Die Bewertung des Glücks passiert immer individuell und hängt sehr stark von den eigenen Emotionen und der inneren Einstellung ab.

Bei Suchtsituationen ist diese Einstellung der Auslöser, weshalb die Wahrnehmung im Verhältnis zu nicht süchtigen, für eine veränderte Sichtweise verantwortlich ist.

Auslöser einer Spielsucht

Oft entsteht eine Sucht, um ein bestimmtes Gefühl zu überlagern. Dies löst bei der Person Unbehagen aus. Ein innerer Konflikt ohne Lösung entsteht.

Der Einstieg kommt meist sehr schleichend und entwickelt sich im Laufe der Zeit.

Neben der Sucht – also dem selbst oder fremdindizierten verlangen – nach einer bestimmten Substanz oder Gegebenheit, kommen Faktoren wie das temporäre Wohlbefinden, als auch das Vergessen des Alltags hinzu, weshalb ein erstes positives Gefühl, ein immer wiederkehrendes Verlangen provoziert. Die Sucht nimmt Ihren lauf.

Spielsüchtige fokussieren sich hierbei primär auf die für sich passenden Spielarten, sodass ein Poker-Spieler das Kartenspiel, ein Automatenspieler die Automaten und ein Computerspieler primär eine gewisse Kategorie von Spielen für sich entdeckt. Die Fokussierung kann dabei Computerspielen auf Aufbauspiele, Ego-Shooter oder auch Strategiespiele sein. Über die Anfänge einer Spielsucht lässt sich dabei häufig der eigentliche Auslöser – das bestimmte Gefühl oder die Situation finden – welche primär den Anstoß, zur immer intensiver werdenden Sucht gegeben hat.

Konditionierung

Die Neugier auf das Spiel, der Reiz des unbekannten ist anfangs sehr hoch. Eine kleine Ablenkung. Egal ob mögliche Gewinne am Automaten, oder allein die Erlangung des Verständnises für das gewählte Spiel, reichen aus um nur für Momente die eigenen Gefühle und Probleme zu vergessen.

Am Anfang denken viele Spieler, kurzfristig nicht mehr an das ursprüngliche Problem. Die Ablenkung siegt. Im Verlauf einer immer wiederkehrenden Ablenkung beschäftigen Sie sich immer weniger mit dem ursprünglichen Problem und distanzieren sich immer mehr davon. Die Ablenkung durch das Gefühl im Spiel erzeugt eine stetige Konditionierung bei welcher Gefühle bei Bedarf zwischen Spiel und Wirklichkeit wie bei einem Schalter, umgeschaltet werden können.

Selbstmanipulation 

Ist eine gewisse individuelle Schwelle der Konditionierung erreicht, beginnt die Selbstmanipulation zu wirken. Das zuvor in Spielsituationen erlernte Abschalten von meist negativen Gefühlen oder Erfahrungen, wird in den Alltag transferiert. Immer häufiger kommt es dann vor, dass ein Spieler im Alltag an das Abschalten im Spiel denkt.

Was zunächst nur in stressigen Situationen passiert, passiert immer häufiger bei immer mehr Situationen, in welchen ein einfacherer Ausweg gesucht wird. Die Konditionierung bewirkt dann eine immer stärker werdende Selbstmanipulation. Uns werden oft die Flucht in das Spiel als Ausweg aus angespannten Lebenssituationen berichtet.

Verlust von Bindungen

In Folge des immer stärker werdenden Suchtgefühls nach Entspannung und Ablenkung, gehen häufig persönliche Bindungen verloren. Der Bezug zu Geld oder Personen. Die Wertigkeit eines Wahren Gefühls von Liebe und Beziehung, aber auch die Wertigkeit des Geldes. Dies ist sehr stark individuell von der Intensivität der Sucht, des Verlangens nach Ablenkung und der Art des Spieles abhängig. Hiervon können Lebenspartner, eigene Kinder, die Arbeitsstelle, aber auch die Freizeit betroffen sein. Die immer stärker werdende Sucht, überschattet dabei das befähigt sein mit Alltagssituationen umgehen zu können. Aggressivität, Missverständnisse aber auch die Selbstisolation von Freunden und Verwandten, sind häufig auftretende Suchtbilder die den Verlust von Bindungen kennzeichnen.

Wie werden Spieler beeinflusst? (Fremdmanipulation) 

Die zuvor genannte Konditionierung und die Selbstmanipulation erfahren Spieler tag täglich. Im Sinne des Spieles werden zusätzliche – für den Spieler unbewusste – Methoden eingesetzt, um das Spielerlebnis positiv zu unterstützen.

Manipulation durch Musik, Geräusche und Soundeffekte

Am Automaten z. B. werden wir mit Geräuschen und Effekten manipuliert. Das geschieht unbewusst, jedoch konstant. Wenn die Zahlen rotieren und ein gleichmäßiges „klackern“ aus dem Automat erschallt, so erhalten wir eine Konditionierung durch die Gleichmäßigkeit des Tones. Der Ton ist dabei auf das Spiel und das gewollte empfinden Abstimmt. Kein Knarzen oder knattern, wenn es nicht zum Spielverlauf passt.

Wird der Richtige Wert zum Gewinnen dargestellt, so passt sich punktuell auch die Tonart der Musik als auch der Töne an. Die rotierenden Scheiben Klackern passend und signalisieren uns – jetzt musst du Drücken um das Rad zu stoppen. Sie ermöglichen uns durch das Klackern die Rotation der Räder zu hören, darauf eingehen zu können, damit interagieren zu können – auch das klackern zu zählen gehört dazu – wann genau der richtige Moment zum Drücken kommen wird.

Gewinne und Verluste werden ebenso mit Tönen unterlegt und sagen unseren Ohren was soeben genau passiert ist. Häufig wird das als „Ruf des Automaten“ bezeichnet.

Gleiches trifft auf Online Spiele zu. Ratternde Säbel, knarzende Türen oder das schlüpfen eines Ei’s werden uns durch definierte wiederkehrende Töne signalisiert und lenken unseren Fokus gezielt auf die dem Spielverlauf notwendige Handlung.

Manipulation durch Bilder, Farben und Effekte

Ebenso wie Töne, werden Bilder und Farben als Signal zur Interaktion angewendet. Am Automaten sind es häufig die Tasten und Felder die Farbig blinken. In Computerspielen sind es Menü oder Handlungsoptionen welche durch Blinkeffekte einen Wechsel der Waffe oder eines Inventars anzeigen. Zusätzliche Effekte wie kleine neue Bildchen oder eine Lebensleiste signalisieren und Details des Spielverlaufs. Bei Lebensleisten oftmals in einem kurzfristigen Flimmern des gesamten Bildschirms, wenn die Lebensenergie sich einem Kritischen Niveau annähert. Gute und für den Spielverlauf positive Dinge werden dabei häufig mit hellen freundlichen Farben dargestellt. Negative Elemente wie Gegner oder Gegenspieler in dunklen Facetten abgebildet. Aktive Handlungsoptionen hingegen werden durch grelle auffällige Farben deutlich im Spielverlauf hervorgehoben. Sie Unterstützen das Spiel, lenken uns und manipulieren uns so unbewusst die passenden Dinge zu tun.

Haptik und Design als Suchtfaktor

Leuchtende, blinkende oder manchmal rotierende Knöpfe. Ob physisch am Gerät oder grafisch auf dem Bildschirm. Sie alle verstärken mit dem Design unsere Wahrnehmung für das geschehen im Spiel.

Haben sie schon mitbekommen, dass der Knopf am Automaten „defekt“ ist? Nicht leuchtet oder blinkt? Sich nicht gut anfühlt oder gar beim Drücken quietscht, hackt oder hängen bleibt?

Ebenso verhält es sich mit online Spielen. Auch hier wird viel investiert, damit besondere Spielfähigkeiten besser hervorgehoben werden. Seien es bessere Waffen, stärkere Schilde oder der Vorschlag des Computers für den nächsten guten Schritt im Spielverlauf. Sie alle haben eine Sache gemeinsam – ein auffälliges – nicht zufälliges – sehr gut wirkendes Design.

Es soll uns ansprechen und bietet uns in mancher auch so aussichtslosen Lage, eine weitere Möglichkeit – einen Halt an. Dies ist besonders im Automatenspiel sichtbar, wenn eine gewisse Bindung zwischen Automat und Spieler gegeben ist. Manche halten den Knopf. Manche streicheln in förmlich, bevor Sie ihn zu gegebener Zeit drücken. Auch das Festhalten am Automaten ist zu beobachten. Ein „Fühlen des Materials“, der Verarbeitung erzeugt eine zusätzliche positive Resonanz, wenn das Design mit dem Material stimmig und positiv ist.

Handlung im Spiel als Motivator

Betrachtet man ein jedes Spiel genauer, so wird meist eine kurze bis längerfristige Handlung adressiert. Was beim Automatenspiel der Geldeinwurf bis zum Verbrauch mit darauffolgendem Zusatzbonus ist, so ist es in Onlinespielen das erneute und wiederkehrende „Leben“ was einem geschenkt wird, um sein Glück erneut auf die Probe stellen zu können.

Je interessanter die Handlung, desto intensiver ist die Bindung des Spielers zum Spiel. Desto intensiver beschäftigen wir uns auch nach dem Spiel auch mit der Handlung und den möglichen Fragen zu dieser.

Was habe ich nicht bedacht?

Warum hat das nicht geklappt?

Wie kann ich es besser machen, um …

… in das nächste Level zu kommen?

… den Geldtopf zu holen?

… den Jackpot zu knacken?

„Geschenke“ als Motivator

Wenn das Spiel einem etwas zurückgibt, handelt es sich häufig um die Adressierung unseres Belohnungssystems. Aussagen wie „das hat diesmal nicht geklappt, probiere es noch einmal“ klingen viel besser, wenn das Spiel einen Extrabonus als Geschenk gibt. Nicht zu viel, nicht zu wenig, aber gerade ausreichend, um das Glück im Spiel erneut herauszufordern.

Sinnesorgane als Suchtverstärker

Je mehr Sinnesorgane regelmäßig und gleichzeitig adressiert werden, desto tiefer ist der Bann des Spieles. Stellt man den Ton aus, so fehlt ein für den Spieler notwendiges Feedback aus dem Spiel. Er ist irritiert und sucht nach alternativen Rückmeldungen des Spielverlaufs.

Reduziert man z. B. die Auflösung oder die Detailqualität eines Spiels, so werden die Symbole ungenauer.  Die Anstrengung und der Unmut im Spiel steigt in der Regel. Ausnahmen werden hierbei häufig bei sogenannten „Features“ gemacht. Wird zum Beispiel der Spieler zu gut, oder zu schlecht so kann z. B. „ein Nebel“ als Verschleierung den Spielerfolg durchaus beeinflussen.

Suchtfaktor “Fastgewinne”

Oftmals suggeriert das Spiel auch beinahe Gewinne. Gewinne die keine sind, nur „knapp verfehlt“. Kombiniert mit den bereits zuvor wahrgenommenen Suchtfaktoren und Motivatoren, wird dabei der Spieler animiert oder angeregt, weiterzuspielen.

„Beim nächsten Mal könnte es klappen.“

„Ich habe doch schon so viel investiert. Bin dem Gewinn schon so nah“

„Es hat doch schon mal geklappt“

Beinahe Gewinne entwickeln mit dem inneren Druck einen Gewinn haben zu wollen, zu einer nachhaltigen Prägung und Förderung des Suchtgedächtnisses eines Spielers.

Unbewusste Fehl-(Prägung) kontrollieren

Die zuvor genannte Konditionierung durch die Spieleindustrie gibt mit

  1. einer unbewussten Fehlprägung                                        und
  2. der auch zuvor dargestellten Selbstmanipulation des Spielers

ein schlüssiges Gesamtbild des möglichen „Suchtfaktors“ wieder.

Zusammenfassung

Den gezielt eingesetzten Motivatoren und den positiven haptischen und optischen Designs, kann man nur schwer entkommen. Sie benötigen eine gezielte Bewältigungsstrategie (Copingstrategie), bei welcher sowohl die unbewusste Fehlprägung, als auch der eigentliche initiale Auslöser adressiert werden müssen.

Selbstmanipulation, Glück und das „glücklich sein“ sind auf das Spiel eingestellt, und können nur durch aktives lenken der inneren Einstellung des Spielers, wieder korrigiert werden. Wir fügen es in unseren Gesprächen als einen Punkt, dem Begriff „Mindset“ hinzu. Die innere Einstellung des Ich, zur Außenwirkung setzen.

Das entscheidende Merkmal ist hier das Training und die damit einhergehende Prägung. Zu viel von einer Sache, hat noch nie gutgetan. Daher arbeiten viele ehemalige Spieler auch mit Methoden der Wahrnehmung und Reflektion, um sich Ihre Handlungen bewusst zu machen. Diese Bewusst zu kontrollieren, darüber nachzudenken und Entscheidungen daraus fundiert und begründbar schließen zu können.

Dadurch kann die unbewusste Selbstmanipulation, aber auch die Manipulation von außen, durch eine bewusste Innere Einstellung, langfristig selbst kontrolliert und korrigiert werden.

Über den Autor

Bild: Volker Brümmer

Volker Brümmer wurde 1968 in Bonn geboren und hat die mittlere Reife mit nachfolgender Ausbildung zum Fliesenleger abgeschlossen.


Er war 23 Jahre pathologischer Glücksspieler und ist seit 2008 frei vom Automatenspiel. Seither beschäftigt er sich intensiv mit den Hintergründen dieser Sucht und unterstützt ehrenamtlich als Suchtkrankenhelfer andere Spieler.


Seit 2013 schult er regelmäßig Servicepersonal in Spielbanken. In Präventionstagen klärt er proaktiv in Schulen und Klinken darüber auf, was sich alles mit und hinter einer Spielsucht verbirgt.
Als Leiter einer Selbsthilfegruppe für ehemalige Spieler begleitet, unterstützt und bestärkt er andere Spieler bei der aktiven Bewältigung ihrer Sucht.


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