
Ist ein Mensch erst in einer Spirale der Fehlprägung angekommen, so ist es schwierig – Ihn – als auch sein Umfeld zu adressieren.
Haben Sie schon mal versucht, objektiv mit einem Spieler über seine Sucht zu sprechen?
Wurden Ihnen dabei vernünftige und plausible Erklärungen zum Spiel gegeben?
Nein?
Wir erklären Ihnen in diesem Artikel die Hintergründe dazu und warum es Spielern oftmals selbst nicht bewusst ist, in welcher Situation sie sich befinden.
Spielsucht und Glück – eine Co-Abhängigkeit
Spielsucht und die Perspektive von Spielern auf diese, hatten wir bereits im Artikel „Glück aus Spielerperspektive“ beschrieben. Die daraus entstehende Beziehung zum Spiel überwiegt die eigentlichen Probleme und Schwächen einer Person im Umgang mit Alltagssituationen.
Spielsucht ist häufig nicht rational und verständlich erklärbar. Es sind viele kleine Bausteine und Elemente, welche sich als Puzzle bewusst oder unbewusst zusammenfügen.
In diesem Artikel möchten wir intensiver auf das daraus entstehende Glücksgefühl eingehen und den Zusammenhang mit der Co-Abhängigkeit etwas genauer beleuchten.
Beispiele der Co-Abhängigkeit
Aus unseren eigenen Erfahrungen und Gesprächen mit ehemaligen Spielern möchten wir ein Beispiel wiedergeben:
Ein Spieler empfindet „glücklich sein“ nur für einen kurzen Moment. Das Glück über einen Gewinn, ist für ihn beruhigend, denn es bedeutet Spielverlängerung UND er kann länger dort verweilen, wo er sich sicher und geborgen fühlt. Er muss nicht in der Angst machenden Alltag zurück.
Im Alltag enthält das Lebens eines Spielers vielerlei Lügengerüste. Lügen die möglicherweise für den Spieler keine sind, mit denen er sich jedoch Erklärungen bereitlegt, um diese glaubhaft nach außen wiedergeben zu können. Im Extremfall werden auf kleinen „Flunkereien“ immer weitere „Flunkereien“ aufgebaut, in denen der Spieler sich in Sicherheit wägt und diese auch nach außen so verkaufen kann. Der Realitätsverlust des Spielers tut sein Übriges dazu, diese Lügen selbst zu glauben und so perfekt, gegenüber Dritten, auch verkaufen zu können.
Eine Art von Glück im Denken eines Spielers, die uns häufig begegnet, ist folgende:
Es hat wieder keiner gemerkt.
Daraus folgend tritt wieder das Belohnungssystem in den Vordergrund und vermittelt: „Da hast du dir aber wieder was verdient“. Die Spirale wiederkehrender Situationen und Denkweisen kann dabei unendlich sein.
Soziales Umfeld in Co-Abhängigkeit der Spielsucht – ein Erklärungsversuch
Aus unseren Gesprächen mit ehemaligen Spielern kristallisiert sich immer wieder ein gewisses soziales Umfeld heraus. Nicht die alltäglichen sozialen Kontakte in der Arbeit, in der Familie oder im Freundeskreis, sondern die sozialen Kontakte aus dem Spielumfeld. Diese Kontakte haben ähnliche Themen und Probleme wie der Spieler selbst. Hier können sie sich austauschen und gemeinsam ihrer Freude zum Spiel nachgehen. Solche Interaktionen sind in kurzen Kaffeepausen oder im Chat während des Spiels möglich. Das Ausmaß dieser Interaktion ist bei ausgeprägter Spielsucht sogar wesentlich größer, als die Interaktion in der Arbeit, in der Familie und im Freundeskreis, die meist nicht mehr hinreichend gepflegt oder gar vollständig vernachlässigt wird. Es erfolgt eine immer stärkere und für den Spieler höherwertigere Bindung mit dem Spiel und dem daraus entstandenen neuen „Freundeskreis“. Die gemeinsame Identifikation mit dem Spiel, gepaart mit dem gleichen Verständnis, erzeugt ein Wohlgefühl der Zufriedenheit, der gegenseitigen Akzeptanz und des glücklich seins.
Glücksempfinden in Co-Abhängigkeit der Spielsucht – ein Erklärungsversuch
Die Sucht zum Spiel, zum Verlauf des Spiels und der Entwicklung des Spiels, ist für Außenstehende schwer zu fassen. Erst recht, wenn im Spiel Elemente des Glücks und des „glücklich seins eine große Rolle spielen. Wir sprechen dann von einer Glücksspielsucht.
- Glücksspielsucht
- Gewinn/Erfolg erzeugt ein Glücksgefühl
- Das Glücksgefühl führt zum kurzfristigen glücklich sein
Nimmt man dem Spieler das Glücksgefühl im Spiel, also die Gewinne oder Erfolge, so intensiviert er häufig sein Engagement zum Spiel. Hier hören wir häufig Aussagen wie:
„Es muss doch klappen!“
„Ich habe heute einfach kein Glück!“
Früher oder später setzt meist erneut ein Gewinn, ein Verlangen nach Glück, einem kurzfristigen glücklich sein, als Trigger ein. Bei Spielern meist passiv unterbewusst oder sogar aktiv, wenn das Spiel erneut gespielt wird.
Der Erfolg im Spiel ist kurzfristig wiedergekehrt und somit auch das Glücksgefühl. Ein positives Empfinden am Spiel und somit auch eine positive Einstellung zum Glück ist nun wieder gegeben.
Erfolg oder Gewinn im Spiel ist kein Glück
Automaten- und Computerspiele suggerieren uns eine gewisse „glückliche“ Fügung, wenn der Spielverlauf genau so ist, wie wir es uns erhoffen.
Einmal gewinnen wir, einmal verlieren wir.
Doch der Erfolg im Spiel sollte sich aus Anstrengung, Wissen und / oder Können, wie z. B. im Fußball, ergeben. Das ist bei Computer- und Automatenspielen jedoch nicht der Fall.
Hier sprechen wir von einem programmierten Glück. Einem programmierten Erfolg. Einer programmierten, elektronischen Maschine mit Gewinnchance, Gewinnwahrscheinlichkeit und Auszahlungsquote.
Es werden im Spiel laufend Wahrscheinlichkeiten errechnet. Die drehenden Scheiben – für uns kaum wahrnehmbar – werden schneller oder langsamer, beschleunigt oder abgebremst. Das Spiel wird bewusst mit Elementen und Aktionen gelenkt, sodass die Maschine von uns lernen kann, in welcher Phase wir als Spieler sind und auf uns entsprechend reagiert werden kann. Das alles ist im Programmcode der Maschine hinterlegt und beeinflusst sowohl den digitalen Spielverlauf, als auch unsere Chance zum Gewinn und somit zum Erfolg im Spiel.
Zusammenfassung
Das Automaten- und Computerspiel ist ein Glücksspiel. Es ist ein programmiertes Glück mit System dahinter. Es ist eine Maschine, die über unseren Erfolg oder unseren Gewinn bestimmt. Sie vermittelt uns das Gefühl „Glück im Spiel“ zu haben, indem sie uns Gewinne und Erfolge anzeigt.
Die unbewusste Fehlprägung, ein zu geringes Feld der Wahrnehmung um Wissen, Können und Anstrengung nicht fehl zu interpretieren, führt zur Co-Abhängigkeit im Suchtverlangen. Wir arbeiten daher in unseren Gesprächen intensiv mit Methoden der Reflektion, Achtsamkeit und Wahrnehmung, um das Bewusstsein für sich selbst neu zu erschaffen und dieses im neuen Mindset als Veränderung zu verankern, wodurch eine neue Wahrnehmung entstehen kann.
Gerne unterstützen wir auch Sie. Mehr Details zur möglichen Unterstützung erhalten sie hier.
Über den Autor

Volker Brümmer wurde 1968 in Bonn geboren und hat die mittlere Reife mit nachfolgender Ausbildung zum Fliesenleger abgeschlossen.
Er war 23 Jahre pathologischer Glücksspieler und ist seit 2008 frei vom Automatenspiel. Seither beschäftigt er sich intensiv mit den Hintergründen dieser Sucht und unterstützt ehrenamtlich als Suchtkrankenhelfer andere Spieler.
Seit 2013 schult er regelmäßig Servicepersonal in Spielbanken. In Präventionstagen klärt er proaktiv in Schulen und Klinken darüber auf, was sich alles mit und hinter einer Spielsucht verbirgt.
Als Leiter einer Selbsthilfegruppe für ehemalige Spieler begleitet, unterstützt und bestärkt er andere Spieler bei der aktiven Bewältigung ihrer Sucht.