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Sucht – wann ist das?

Generell ist es schwer über Süchte zu sprechen, ohne ein genaueres Verständnis dafür zu entwickeln. Daher wird in diesem Artikel zunächst das Wort „Sucht“ als Definition abgegrenzt und im Nachgang auf die unterschiedlichen Ausprägungen eingegangen. 

Einleitung

Von „spielen macht Spaß“ bis zu „spielen kann lebensgefährlich sein“, ist es allerdings ein schmaler Grat. 

Ich habe dies selbst erlebt. 

Mit Freunden am Wochenende als reine Freizeitgestaltung mal am „Dattelautomat“ ein paar Mark damals verspielt und gewonnen zu haben, bis hin zum Fast bitteren Ende am Bahngleis, lagen rund 23 Jahre. 

23 Jahre in denen ich unbemerkt in die Sucht rutschte. Doch wie ist diese Sucht passiert? 

Die Definition von Sucht

Sucht ist die Bezeichnung für die Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten. 

In der Rauschmitteldefinition wird Sucht als “ein Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge“ definiert.  

Doch was ist Abhängigkeit? 

Die Definition von Abhängigkeit

Abhängigkeit und Sucht werden umgangssprachlich oftmals gleichbedeutend verwendet. Unter Abhängigkeit versteht man im Allgemeinen, dass ohne das Suchtmittel (Alkohol, Drogen, Medikamente) nicht mehr gelebt werden kann oder einen zwanghaften Drang verspürt, ein bestimmtes Verhalten auszuüben (vgl. 1).

Dieser Zirkelschluss zwischen Abhängigkeit und Sucht spiegelt sich auch in der medizinischen Definition wieder. So wurde in den späten 1950ger Jahren der Begriff „Sucht“ von der WHO eingeführt und bis Anfang 1970 immer wieder neu gefasst (vgl. 2).  

Substanzabhängigkeit als Definitionsrahmen für Spielsucht 

Die Definition für Substanzabhängigkeit wird nach aktuellem Verständnis mit vier Kriterien gekennzeichnet.  

  1. Ein unbezwingbares Verlangen zur Einnahme und Beschaffung des Mittels, 
  2. eine Tendenz zur Dosissteigerung (Toleranzerhöhung), 
  3. die psychische und meist auch physische Abhängigkeit von der Wirkung der Droge, 
  4. die Schädlichkeit für den einzelnen und/oder die Gesellschaft.” 

Spielsucht als Element der Substanzabhängigkeit 

Von der aktuellen Definitionslage der Sucht ausgehend, kann somit „die Spielsucht“ als Unterelement der allgemeinen Suchtdefinition valide herangezogen werden. Bestätigt wird dies durch aktuelle ICD-10-Diagnose „Pathologisches Spielen“ (F63.0), welche das Wort „pathologisch“ (also „krankhafte“) Spielen in die Kategorie F60-F69 als persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (vgl. 3) welche durch das Spielen verursacht werden, einordnet. Dies geht so aus dem Deutschen Ärzteblatt (vgl. 4) einem Übersichtsartikel zum Pathologischen Glückspiel hervor.  

Wann beginnt die Spielsucht? 

Irgendwann und das ist in den meisten Suchtverläufen, wie auch bei mir so, reicht ein Automat nicht mehr aus. Auch die Einsätze verändern sich. 

Ich hatte ja auch nie ein Problem mit dem spielen, …..nur irgendwann OHNE…. 

Letzten Endes, bestimmt das Spiel den Alltag. Es steht an Erster Stelle, noch vor allen anderen Verpflichtungen wie Familie, Beruf, Freunde und Freizeit. 

Realitäts- und Kontrollverlust sind das eine, Depressionen das andere. 

Meine Ex-Spielsucht – eine Schilderung

Ich begann (leider) alles um mich herum zu belügen und betrügen, Menschen die mir nah standen zu manipulieren. 

In Erster Linie aber mich selbst. 

Ich führte irgendwann ein Doppelleben.  

Das schwierige bei einer (Glücksspiel-)Sucht ist aber, dass selbst erkennen und wahrnehmen. Anmerkungen und Fragen von Außen ob ich ein Problem habe, wurden abgetan und ich fühlte mich angegriffen. Begegnete oft ungehalten und vermittelte beim Gegenüber das Gefühl, ok hab ich mich getäuscht und zu Unrecht vermutet. 

Schon hatte ich wieder meine Ruhe. Und so konnte ich ungehindert und unbemerkt der Sucht “fröhnen”. 

Da Glücksspielsucht nicht stoffgebunden ist, wie etwa Alkohol oder allg. Drogen und es kaum sichtbare äußere Merkmale gibt, ist es für Außenstehende fast unmöglich dies zu erkennen. 

Klar veränderte ich mich, wurde innerlich unruhig, war unausgeglichen, konnte Nachts kaum noch schlafen ( wenn ich dann mal ins Bett bin und mich vom Onlinecasino trennen konnte, in der Regel erst dann, wenn das Konto “0” anzeigte). 

Ich grenzte mich immer mehr ab, soziale Kontakte fuhr ich auf ein Minimum zurück. 

Termine und allgemein die Verlässlichkeit wurden Fremdworte für mich. 

Statt mich auf das Fußballspiel vorzubereiten, setzte ich lieber noch ein paar Euros im Casino vor dem Spiel. 

Das dies nicht für die Leistung förderlich war, liegt auf der Hand….mein Gedanke dazu ok, ich bin zu alt und höre lieber mit diesem Hobby auf. 

Wieder ein Rückzug, je weniger Menschen um mich herum waren, desto besser. Denn je weniger musste ich belügen. Der Rückzug in den Onlinebereich die logische Folge. 

Es war auch eine logistische Herausforderung unbemerkt zu spielen. Der entstehende Druck wurde mit noch mehr spielen kompensiert. (siehe Spieldruck /Craving) 

Natürlich litt auch die Ehe darunter, nicht zuletzt meine Tochter. 

Diese schlechte Gewissen trieb mich aber immer weiter an zu spielen. Spielen um zu vergessen. Es ging schon lange nicht mehr ums Geld, es war eh nur noch Spielgeld, ein Gewinn bedeutete nicht, beispielsweise einfach mal eine rückständige Miete zu bezahlen. Dies war ein Sekundengedanke, der nächste war dann, geil, jetzt kann ich wieder ein paar Tage zocken. Ergo ging es nur um vergessen und Spielverlängerung. 

Ach ja, es ging ja nicht nur um vergessen von Problemen, ich sah es wie eine Art Belohnung (siehe falsches Belohnungssystem). 

Also einen guten Job gemacht, dann habe ich es ja auch verdient abends eine Runde zu zocken. 

Andere kaufen sich vielleicht ein Parfum um sich zu belohnen, ich ließ es mir lieber schenken und die 50 Euro einzuzahlen. 

Wie oben erwähnt, es drehte sich nur noch ums spielen, vergessen und im Nachbetracht um von mir und meinen Gefühlen weg zu gehen, sie weg zu drücken! 

Merkmale einer Glückspielsucht

Anhand der nachfolgenden Merkmale, können Veränderungen einer Person im Bezug auf Spielsucht erkannt werden:

  • Wer oft darüber nachdenkt, wie er an das Geld für das Spielen kommt. 
  • Die Einsätze stetig steigert um die gewünschte Erregung zu erreichen.  
  • Spielen um Probleme zu entgehen. 
  • Selbst nach Geldverlusten weiterspielt. 
  • Gegenüber Dritten lügt und sein Spielverhalten versucht zu vertuschen. 
  • Den Arbeitsplatz, eine Beziehung, Familie riskiert. 
  • Kriminelle oder illegale Beschaffung um das Spielen zu finanzieren. 
  • Innere Unruhe, Gereiztheit in spielfreien Zeiten. 
  • Wiederholt Versuche der Spielkontrolle oder Aufgabe des Spiels. 

Das Suchtdreieck (Drei Säulen Modell der Sucht)

Jede Säule oder Ecke steht für etwas. 

  1. Die Persönlichkeit (Selbstwertgefühl, Risikobereitschaft, usw.) 
  2. Umwelt (Familie, Beruf, Freunde, Normen, usw.) 
  3. Das Suchtmittel an sich (Automaten, Lotto, Casino, Sportwetten, usw.) 

Nimmt man jetzt eines der drei genannten Säulen weg, „funktioniert“ die Sucht nicht mehr. 

Zusammenfassung

Angebote werden nicht einfach verschwinden, im Gegenteil. Die Belastungen des Alltags werden nach wie vor, gegeben sein. 

Daher ist es wichtig, auch wenn es hin und wieder unangenehm ist, sich und seinen Gefühlen zu stellen und am Ende eine zufriedene Abstinenz zu leben. 

Ich bin der Meinung, nur wer wirklich bereit ist an sich selber zu arbeiten, kann und wird den Weg in die Abstinenz finden. 

Abstinenz ist aber kein Zustand, sondern eine Tätigkeit. 

Über den Autor

Bild: Volker Brümmer

Volker Brümmer wurde 1968 in Bonn geboren und hat die mittlere Reife mit nachfolgender Ausbildung zum Fliesenleger abgeschlossen.


Er war 23 Jahre pathologischer Glücksspieler und ist seit 2008 frei vom Automatenspiel. Seither beschäftigt er sich intensiv mit den Hintergründen dieser Sucht und unterstützt ehrenamtlich als Suchtkrankenhelfer andere Spieler.


Seit 2013 schult er regelmäßig Servicepersonal in Spielbanken. In Präventionstagen klärt er proaktiv in Schulen und Klinken darüber auf, was sich alles mit und hinter einer Spielsucht verbirgt.
Als Leiter einer Selbsthilfegruppe für ehemalige Spieler begleitet, unterstützt und bestärkt er andere Spieler bei der aktiven Bewältigung ihrer Sucht.

  1. Caritas – Wann spricht man von Sucht? https://www.caritas.de/beitraege/wann-spricht-man-von-sucht/166905/
  2. Theorie der Sucht Seite 180-192 / K. Wanke
  3. ICD-10-Diagnose „Pathologisches Spielen“ (F63.0) https://www.icd-code.de/icd/code/F63.0.html
  4. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 10/2012 arztebl.2012.00173

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